Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die kleine Universitätsstadt Jena eine der schlechtesten Verkehrsverbindungen im Deutschen Reich. Abseits der Hauptreiserouten gelegen und ohne Schiffbarkeit der Saale war es 1851 der Initiative von Vertretern der Universität und Wirtschaft zu verdanken, dass man ein Projekt ins Auge fasste, das unsere Saalestadt durch eine Eisenbahnlinie (die erste ihrer Art war 1835 in Bayern von Nürnberg nach Fürth in Betrieb genommen worden) einen – so der Plan – beispiellosen Aufschwung erfahren sollte. Gesagt getan und man gründete das „Jenaische Centralcomité zur Erbauung einer Thüringer Saalbahn“.
Die Vertreter dieses Komitees, allen voran drei Professoren der Jenaer Universität namens Schleiden, Danz und Schmid, baten im Sommer 1852 in einem Schreiben an die Stadtväter um Unterstützung und schrieben darin u.a.: „Es bedarf keiner Auseinandersetzung von unserer Seite, um den Gemeinderath darauf hinzuweisen, (…) daß eine solche Bahn das jetzt isolirte – weit aus dem Verkehr des Lebens hinausgedrängte Jena wieder in den Weg der großen Weltstraßen bringen würde und so einen entscheidenden fördernden Einfluß auf das Gedeihen unserer Universität ausüben würde. Es liegen nur zu viele Beispiele vor, daß Studierende welche bei der Wahl einer Universität schon zum Theil günstig für Jena gestimmt waren, nur aus dem Grund einen anderen Ort wählten, weil, wie sie sagten, Jena außer der Welt sei und keinen erfreuenden Aufenthalt mehr darbieten könnte.“

Daraufhin wurden Pläne geschmiedet, Gespräche geführt, Streckenpläne entworfen, Grundstücke gekauft, Geld gesammelt oder kreditiert, schließlich ein Bauantrag erstellt, Es dauerte und dauerte und dauerte bis schließlich am 30. April 1874 der Zugbetrieb auf der Saalbahn aufgenommen wurde. Wichtiger für die privat geführte „Saal-Eisenbahn-Gesellschaft“ war der neuerbaute Saalbahnhof, in dem sich die Zentrale der Gesellschaft befand. Da es jedoch mir der konkurrierenden Weimar-Geraer Bahn zu keiner Einigung auf einem gemeinsamen Hauptbahnhof in Jena gekommen war, hatte die Weimar-Geraer-Bahn im Westen unserer Stadt einen eigenen Bahnhof gebaut und Jena einige Zeit zwei Hauptbahnhöfe. Dies belegt auch, dass die Politik schon vor knapp 150 Jahren nur begrenzten Einfluss auf manche städtebauliche Pläne hatte.
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich jedoch der Saalbahnhof als der Bahnhof durchgesetzt, an dem sowohl Menschen aus dem weiteren Umland als auch den Metropolen Berlin und München nach Jena kamen, darunter 1914 der Schriftsteller Kurt Tucholsky (der vor Prof. Eduard Rosenthal seine Doktorarbeit der Juristerei zu verteidigen hatte) oder 1916 Karl Liebknecht (der sich als Militärangehöriger auf Heimaturlaub aus Berlin verbotener Weise nach Jena begeben hatte, um mit Otto Rühle eine illegale Osterkonferenz der Arbeiterjugend abzuhalten und gegen die Fortführung des Krieges agitierte). Und es funktionierte auch umgekehrt: Jenas Universalgelehrter Ernst Haeckel begann seine umfangreichen Forschungsreisen ab 1875 (u.a. Kleinasien, Ceylon, Palästina und Syrien, Russland und Finnland) stets am Saalbahnhof.

Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde der Saalbahnhof im März 1945 bei amerikanischen Bombenangriffen schwer und das Hauptgebäude am 9. April 1945 fast vollständig zerstört. Als Ersatz entstand nach Kriegsende eine Baracke, die zwei Jahrzehnte lang als Provisorium diente, bevor 1965 ein neues Empfangsgebäude fertiggestellt wurde und in Betrieb ging, in dem sich heute der Kulturbahnhof befindet. Doch wie kam es dazu?
Im Nachkriegsjena hatte der Saalbahnhof für unsere Stadt große Bedeutung für den Güterverkehr. Der heute baulich umgenutzte Güterschuppen ist das letzte Zeugnis jener Zeit. Über die Anschlussgleise und die Verladerampen des Saalbahnhofs wurden Jenaer Betriebe und die HO mit Waren beliefert. Es gab sogar für Lebensmittel sowie den und Obst- und Gemüse-Großhandel Extragleise. Buchautor und Eisenbahnexperte Werner Drescher berichtet in einem seiner Bücher davon, dass hier bis zu 100 Wagenladungen Ortsfracht pro Tag ankamen.

Nach 1990 wurde der Saalbahnhof kurzzeitig Hauptdienststelle für alle Eisenbahnen im Bereich Jena – dann wechselte die Verantwortung nach Saalfeld. Als die Stadt Jena in den 1990er Jahren schließlich einen IC-Halt bekommen sollte, entschied sich der Stadtrat dafür, die Deutsche Bahn um einen Haltepunkt an stadtzentraler Stelle zu bitten und der Bahnhof Jena-Paradies übernahm vom Saalbahnhof die Rolle als Jenas Hauptbahnhof.